Die Rückkehr der Konzentration

Warum ich Instagram verlassen habe

2008 hatte ich noch kein Smartphone, dafür aber einen riesigen Wissensdurst. Nach drei Jahren intensiver Recherche (siehe Foto) schrieb ich 2011/2012 als Designstudentin meine Diplomarbeit Als das Licht laufen lernte über die Physik des Lichts und die Geschichte des Universums. Das Werk umfasste ursprünglich neun Bücher mit insgesamt 1108 Seiten und wurde von Prof. Dr. Harald Lesch betreut.

Ich erinnere mich sehr gut an diese Zeit: Damals konnte ich pro Tag drei bis vier Stunden am Stück schreiben – ohne Unterbrechung, ohne Ablenkung, mit sehr viel Inspiration und Muße, ohne jegliche Ermüdung und mit sehr viel Freude. In ein bis zwei Wochen hatte ich im Schnitt eines der insgesamt sieben Kapitel (die jeweils ein ganzes Buch wurden) in der ersten Fassung fertiggestellt. Die spätere Gestaltung lief genauso konzentriert ab.

Das Buch wurde kurze Zeit später von Penguin Random House verlegt. Ich fügte die »Kapitel-Bücher«, den Inhalt und den Anhang zu einem Buch zusammen, kürzte es auf 864 Seiten und setzte alles noch einmal komplett neu. Dabei lektorierte ich die Texte unterstützend auch selbst, indem ich sie zuerst vorwärts und danach Wort für Wort rückwärts las. Auch dies fiel mir sehr leicht, da ich mich – trotz einer Weisheitszahn-OP – sehr gut fokussieren konnte.

Damals.

86 400 Sekunden pro Tag

Das Ganze ist jetzt zwölf Jahre her und ich musste mit Schrecken feststellen: Irgendwo auf dem Weg habe ich meine einst so starke Konzentrationsfähigkeit verloren.

Doch damit nicht genug. Seit ich ein Smartphone besitze und mich bei Instagram angemeldet habe, ist meine innere Ruhe zunehmend einem extrem sprunghaften Gedankenleben gewichen. Drei bis vier Stunden am Stück zu lesen oder zu schreiben, ist undenkbar geworden. Das wollte ich nicht mehr hinnehmen. Deshalb habe ich beschlossen, nicht länger von einem Algorithmus bestimmen zu lassen, was ich denken, fühlen oder kaufen soll und womit ich meine Zeit verbringe.

Ich habe Instagram verlassen. Und ich möchte nie wieder zurück!

Es ist jetzt eine Woche her und ich merke, wie sehr sich mein Geist und auch mein Körper erholen. Inspiration bekomme ich durch den Blick in die Natur und durch echte Begegnungen mit Menschen. Oder indem ich einfach nichts tue!

Unsere Zeit ist zu wertvoll, um sie algorithmisch gesteuert zu verschwenden.
86 400 Sekunden pro Tag – keine davon kommt zurück.

Ich habe mich jedenfalls dafür entschieden, die Zeit auszukaufen.
Für meine Kreativität.
Für meine Konzentration.
Und aus Liebe zum Leben.

             

Buch Fraunhofer: Forscherinnen im Fokus

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner