Rückblick STATE Festival Berlin / Interview mit Dr. Christian Rauch
Das Interview
Vom 28.10. bis 1.11. fand das STATE Experience Science Festival zum ersten Mal in Berlin statt. Ich bin angereist, um mir das Event genauer anzusehen – und um den Initiator Dr. Christian Rauch zu interviewen.
In einer Viertelstunde redeten wir beide über Physik in der Schule, die Philosophie der Mathematik, Halbleitermaterialien und das Surfen in Sydney, die Rolle der Wissenschaftskommunikation, die Kombination von Wissenschaft und Kunst, die Logistik, die hinter solch einem großen Festival steckt und natürlich über das Thema, um das sich das gesamte Festival dieses Jahr gedreht hat: Zeit.
An dieser Stelle noch einmal ganz vielen Dank an Nadine Binias von der Berliner Agentur muxmäuschenwild, die dieses Interview möglich gemacht hat! Ein weiteres großes Dankeschön geht außerdem an CHris Spatschek, der das Video für mich gedreht hat und viele tolle Fotos von dem Festival mit seiner Kamera einfing!
Impressionen vom Festival
Vortrag Markus Pössel
Meinen absoluten Lieblingsvortrag hielt Dr. Markus Pössel, der das Haus der Astronomie in Heidelberg leitet, außerdem am Max-Planck-Institut für Astronomie tätig ist – und den ich persönlich sehr schätze. Markus Pössel schafft es wie kein anderer, die Skurrilitäten, die hinter Einsteins Relativitätstheorie stecken, auch für interessierte Laien verständlich zu machen – und zwar auf äußerst charmante Weise. Ohne Beamer, sondern einzig mit seinen Worten und der Zuhilfenahme von zwei Uhren, einem Tennisball und einer Leiter, erklärt Markus Pössel, warum Zeit relativ ist und was das für uns bedeutet. Der Tennisball, den er durch den Raum (und die Hände zweier Versuchspersonen) sausen lässt, symbolisiert das Licht, das sich konstant mit Lichtgeschwindigkeit davonbewegt. Wegen dieser Konstanz, muss die Zeit sich beugen und im Gegenzug unterschiedlich schnell vergehen: Wer sich bewegt, dessen Zeit vergeht für Beobachter langsamer.
Auch die Gravitation kommt ins Spiel: Dafür gibt Markus Pössel vollen Körpereinsatz: So ist er sich an diesem Abend auch nicht zu schade, um sich waghalsig von einer Leiter zu stürzen, um zu zeigen, dass der Ball in seiner Hand in dem Moment des Fallens schwerelos wird und warum der Ball in dem Moment des Aufpralls immer weniger auf und ab hopst, um schließlich ganz zur Ruhe zu kommen.
Ein wirklich kurzweiliger, sehr gehalt- und humorvoller Vortrag, der mir wirklich außerordentlich gut gefallen hat!
Vortrag Julian Barbour
Nicht weniger spannend war der Vortrag des britischen Physikers Julian Barbour. Allerdings ging es hier schon wesentlich theoretischer zur Sache. Julian Barbour widmete seinen Vortrag dem Zeitpfeil und einer Sache, die ohnehin schon recht schwer zu verstehen ist: Entropie. Allgemein gilt die Meinung, die Entropie in unserem Universum steigt im Lauf der Zeit immer mehr an. Die Welt strebt nach der größtmöglichen »Unordnung«. Im Grunde breitet sich demnach alles immer schön gleichmäßig aus, bis es keinen Unterschied mehr gibt und man irgendwann auch keine Zeit mehr messen kann, weil alles gleich und damit symmetrisch ist. In diesem Moment würde die Zeit in unserer Welt stillstehen. Der Zeitpfeil kann deshalb nur in eine Richtung laufen, aber niemals andersherum.
Und nun kommt Julian Barbour und behauptet, die Entropie in unserem Universum steige nicht an, nein, sie gehe zurück! Er begründet das wie folgt: Wir messen die Entropie immer in geschlossenen Systemen. Wir haben z. B. eine Box und füllen ein Gas hinein. Das Gas breitet sich daraufhin schön gemütlich und gleichmäßig aus, bis alles perfekt verteilt ist und sich nichts mehr vermischen kann. Das Gas würde nie und nimmer auf die Idee kommen, sich nur in einer Ecke zusammenzuballen. Hier funktioniert die Sache mit der steigenden Entropie noch einwandfrei. Das Problem: Das Ganze findet in einer Kiste statt. Unser Universum steckt aber in keiner Kiste, so Julian Barbour, und entsprechend passiert hier etwas anderes: So weit wir blicken, bilden sich in unserem Universum Strukturen – dank der Gravitation. Die Gravitation wirke der Entropie somit entgegen und lasse sie sinken.
Um das Ganze noch weiter zu treiben, gibt es laut Julian Barbour auch nicht nur einen Zeitpfeil, sondern gleich zwei! Beide sollen in entgegengesetzte Richtungen laufen. Entsprechend müsste an dem Punkt, an dem unser Zeitpfeil begann, noch ein zweiter Zeitpfeil ins Rennen geschickt worden sein, der in die andere Richtung läuft. Das Problem »Was war vor dem Urknall« wäre damit erledigt. Exakt beim Urknall befände sich nämlich der Knick, bei dem auch der andere Zeitpfeil startete.
Wer jetzt verwirrt ist, ist zumindest nicht allein! Ich werde mir diese Sache jedenfalls noch etwas genauer einverleiben…
Kurz zusammengefasst:
Das STATE Festival hat dem Publikum wirklich einiges geboten! Die Ausstellung, die Workshops, die spannenden Gäste mitsamt den Vorträgen und überhaupt die gesamte Stimmung dort – das alles hat mich wirklich umgehauen! So viel ist sicher: Ich werde beim nächsten Mal auf jeden Fall wieder dabei sein!